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Physik-Institut

In Memoriam: Günther Rasche, Wolfgang Jaus

Günther Rasche (5 Mai 1934 – 14 Juli 2024)
Wolfgang Jaus (14 Januar 1938 – 4 Juli 2024)

Günther Rasche (1934 – 2024) und Wolfgang Jaus (1938– 2024) kamen beide um 1960 an das Institut für theoretische Physik der Universität Zürich. Damals war mit Walter Heitler (1904 – 1981) eine der führenden Persönlichkeiten der europäischen Physik an der Universität Zürich tätig, die viele Physiker aus ganz Europa nach Zürich zog, so auch Günther Rasche und Wolfgang Jaus, die beide nach einem Studienbeginn in Deutschland unter Heitlers Einfluss nach Zürich wechselten. Zwischen Günther Rasche und Wolfgang Jaus entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit, daraus entstanden auch einige wichtige und heute noch gültige Publikationen der theoretischen Elementarteilchen-Physik. Im Rückblick auf ihre Aktivitäten am Institut für theoretische Physik, heute Teil des Physik-Instituts der Universität stehen Günther Rasche und Wolfgang Jaus für den Übergang einer früheren Epoche der kleinen, sehr personenbezogenen Gruppen zu den grösseren, oft länderübergreifenden Kollaborationen in der theoretischen Physik von heute.

Günther Rasche wurde am 5. Mai 1934 in Mülheim an der Ruhr geboren. Er studierte von 1953 bis 1956 in Göttingen Physik und Betriebswirtschaft. Seine fundierten Kenntnisse der letzteren sollten sich später positiv auf das Wohlergehen des Institutes für theoretische Physik auswirken. 1956 wechselte er nach Zürich, wo er bei Hans Staub 1958 in Experimentalphysik diplomierte.1961 doktorierte er bei Walter Heitler mit der Dissertation ‘Untersuchungen zum statistischen Modell der Mesontheorie’ (https://doi.org/10.5169/seals-113268). Seine akademische Laufbahn setzte er mit Postdoc-Stellen in Dublin und in London fort, kehrte aber immer wieder an die Universität Zürich zurück. Dort habilitierte er sich 1967 als Privatdozent. 1968 wurde er Assistenzprofessor, 1969 ausserordentlicher und 1977 ordentlicher Professor für theoretische Physik. In den folgenden Jahren bis zu seiner Emeritierung war er mehrmals Gastprofessor in Canberra, Australien sowie in Stockholm. Neben seiner Forschung in der Physik mit Fokus auf die Kern- und Mittelenergiephysik erweiterte er sein Interesse in den letzten Jahren zunehmend auch auf wissenschaftsgeschichtliche Themen; hier brachten seine langjährigen Kontakte zu Walter Heitler viel Interessantes ans Licht.

Günther Rasche war nicht nur ein engagierter Forscher, sondern auch ein ausgezeichneter Lehrer, der die Schwierigkeiten der Studierenden ernst nahm. Mit seiner Menschlichkeit, seiner Geradlinigkeit und seinem Interesse für organisatorische Fragen war er von 1989 bis 2001 ein hervorragender Leiter des Instituts für theoretische Physik sowie von 1992 bis 1994 Dekan der Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät. Viele seiner ehemaligen Studierenden, Mitarbeitenden, Kollegen und Kolleginnen aus der ganzen Welt zog es immer wieder zu Besuchen zurück nach Zürich.

Günther Rasches wissenschaftliches Interesse war zunächst geleitet von den markanten Entwicklungen in der Feldtheorie der 50er Jahre einerseits, und deren Anwendungen auf Mesonen und Nukleonen, den damals bekannten stark wechselwirkenden Elementarteilchen, andererseits. Die heute gültige Quark-Theorie war erst in ihren Anfängen, ebenso die (nicht)abelschen Eichtheorien. In seiner Doktorarbeit untersuchte er ein spezifisches Modell für die Meson-Nukleon Wechselwirkung im Hinblick auf seine physikalische Konsistenz. Danach wandte sich Rasche, oft zusammen mit seinen langjährigen Kollegen William Woolcock aus Canberra und Geoffrey Oades aus Aarhus Präzisionsrechnungen für Meson-Nukleon Wechselwirkungen zu. Das Ziel dieser Arbeiten war (und ist es), theoretische Vorhersagen oder Erklärungen für Experimente mit hoher Genauigkeit zu finden. Weiter arbeitete er an allgemeinen Fragen zur mathematischen Behandlung von physikalischen Prozessen. Günther Rasche war immer interessiert an aktuellen Fortschritten und Erkenntnissen in der experimentellen Physik und war eine gerngesehene Kontaktperson zu experimentellen Gruppen, sowohl am Institut an der Universität als auch am Paul Scherrer Institut (PSI).

Eine wichtige Entwicklung begann um 1970 in Zusammenarbeit mit Wolfgang Jaus. Gemeinsam entwickelten sie einen Formalismus, um die elektromagnetischen Korrekturen zu supererlaubten Beta-Zerfällen zu berechnen. Diese Zerfälle ermöglichen es, eine der fundamentalen Grössen in der Teilchenphysik genau zu messen, das Element Vud der Quark-Mischungsmatrix. Diese Grösse ist sehr sensitiv auf Effekte neuer (noch unentdeckter) Teilchen und Kräfte. Es hat sich gezeigt, dass die Resultate von Jaus und Rasche bis heute Geltung haben und als Basis aktueller Forschung dienen. So wurde beispielsweise der grundlegende Artikel von Jaus und Rasche von 1970 auch in diesem Jahr bereits dreimal zitiert, 54 Jahre nach seiner Publikation.

Wolfgang Jaus wurde am am 14. Januar 1938in Marbach am Neckar geboren. Nach seiner Schulzeit in Konstanz begann er sein Physikstudium in Tübingen und setzte es ab 1960 in der Schweiz an der Universität Zürich unter dem Einfluss von Walter Heitler fort. Wolfgang Jaus schloss 1966 sein Studium mit der Promotion über ‘Symmetrieeigenschaft des Zustandsvektors von zwei zerfallenden Teilchen’ (siehe https://doi.org/10.5169/seals-113708) bei Heitler ab. Danach setzte er seine akademische Laufbahn an der UZH fort, was damals nicht unüblich war, gelegentlich unterbrochen von Forschungsaufenthalten in Irland und später auch in den USA. 1971 wurde er Privatdozent und 1978 Titularprofessor. Wolfgang Jaus war nicht nur ein passionierter Wissenschaftler, er warauch ein sehr sorgfältiger Lehrer, dessen Vorlesungen stets klar und systematisch aufgebaut waren.

Die wissenschaftlichen Interessen von Wolfgang Jaus waren, ähnlich denen von Günther Rasche, zunächst bestimmt von den markanten Entwicklungen in der Feldtheorie der 50er Jahre einerseits und ihrer Anwendungen auf Mesonen und Nukleonen. Die Dissertation von Wolfgang Jaus befasste sich mit einer grundsätzlichen Frage, ob zerfallende Teilchen den üblichen Symmetrie-Regeln von stabilen Teilchen, die entweder Bosonen oder Fermionen sind, gehorchen. Jaus zeigte, dass dies nicht der Fall war. Nach der Promotion wandte sich Jaus dann mehr und mehr den Details der Wechselwirkungen von Mesonen und Nukleonen zu. In einer Arbeit von 1968 behandelte er erstmals die elektromagnetischen Strahlungskorrekturen zum Beta-Zerfall. Diese Arbeit wurde dann in der Folgezeit in Zusammenarbeit mit Günther Rasche erweitert und führte zum heute etablierten Zugang zu elektromagnetischen Präzisionsvorhersagen für Beta-Zerfälle. In seiner Forschungstätigkeit hat Wolfgang Jaus diesen Zugang kontinuierlich erweitert und auf eine Vielzahl von Zerfallsprozessen angewandt.

Günther Rasche und Wolfgang Jaus haben, zusammen mit ihren Kollegen Norbert Straumann und Günter Scharf, das Institut für theoretische Physik seit Anfang der 70er Jahre bis zu ihren Altersrücktritten Anfang des 21. Jahrhunderts, geprägt und Generationen von Physikstudierenden in die theoretische Physik eingeführt. Auch nach seiner Emeritierung war Günther Rasche für seine Kollegen ein wichtiger Ansprechpartner in hochschulpolitischen Fragen, der mit seiner reichen Erfahrung und hervorragenden Menschenkenntnis wertvolle Anregungen zur weiteren Entwicklung des Physik-Instituts der Universität Zürich geleistet hat.

Die Universität Zürich, die Kolleginnen und Kollegen und die ehemaligen Studierenden gedenken Günther Rasche und Wolfgang Jaus in Dankbarkeit für ihre Beiträge zum Erfolg und Wohlergehen unseres Institutes.

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